Alte Fragen, neue Wege
Manchmal braucht es keinen großen Auslöser, um sich plötzlich in den alten Gedankenspiralen wiederzufinden. Es reicht ein müder Tag. Nicht einfach müde – übermüdet. Körperlich, seelisch, innerlich leer gelaufen. Ich funktioniere zwar, aber da ist ein Ziehen im Inneren. Alles wird leiser, schwerer. Und ehe ich mich versehe, ist sie wieder da – diese alte, bohrende Frage: Warum?
Vielleicht kennst du das auch? Diese Tage, an denen plötzlich wieder diese „Warum“-Frage auftaucht. So sinnlos sie scheint – sie lässt nicht locker. Sie klopft zuerst leise an und wird dann lauter. Hartnäckig. Fast vertraut. Und sie kostet Kraft.
Ich habe sie mir oft gestellt. Viel zu oft. Vor allem nach schmerzhaften Erfahrungen. Nach Momenten, in denen das Leben sich plötzlich anders anfühlte – brüchiger, roher, ungerecht. Und irgendwann habe ich gemerkt: Diese Frage hält mich fest. Sie trägt keine Antwort, die mich wirklich weiterbringt. Sie wühlt auf, aber sie heilt nicht.
Das „Warum“ schaut zurück. Und oft macht es das Herz schwerer. Es zieht mich hinein in Geschichten, die ich nicht mehr ändern kann – und lenkt mich ab von dem, was jetzt wichtig ist.
Heute versuche ich, mit solchen Momenten anders umzugehen. Es klappt nicht immer. Aber immer öfter.
Ich frage mich dann: Was tut gerade weh?
Was ist es, das in mir berührt wird?
Wie kann ich jetzt gut für mich sorgen?
Was hilft mir in diesem Moment?
Diese Fragen sind kein Allheilmittel. Aber sie holen mich zurück ins Jetzt. Sie helfen mir, mir selbst näher zu kommen. Und sie sind ein Gegenpol zur Schwere der alten Muster.
Was mir hilft?
Manchmal schreibe ich einfach nur – Gedanken, Gefühle, ohne Anspruch auf Klarheit. Oder ich male.
Ich zünde eine Kerze an.
Atme mit einem Tropfen Öl, das mir gut tut.
Setze mich für einen Moment in den Garten, auch wenn es nur fünf Minuten sind. Und manchmal brauche ich Rückzug. Stille. Oder Tränen.
Ich habe nicht gelernt, mit seelischem Schmerz umzugehen. In meiner Kindheit war es oft das Verdrängen, das Drüberwegsehen. Schmerz war kein Raum, sondern etwas, das man möglichst schnell hinter sich lassen sollte.
Heute versuche ich es anders.
Ich gebe dem Schmerz Raum. Ich fühle ihn. Ich spreche darüber, wenn ich kann. Und manchmal gelingt es – manchmal nicht. Beides ist okay. Es ist ein Prozess. Kein gerader Weg. Aber ein heilsamer.
Es wird wohl immer wieder solche Tage geben. Tage, an denen alte Fragen auftauchen. Tage, an denen der Schmerz sich zeigt, vielleicht leiser, vielleicht ganz unerwartet. Doch ich merke: Je öfter ich hinschaue, desto leichter wird es. Nicht sofort – aber Schritt für Schritt.
Vielleicht ist das genau der Weg: Nicht alles verstehen zu müssen, sondern mehr zu fühlen.
Mehr da zu sein. Mit dem, was ist. In Liebe. In Mitgefühl. In Verbundenheit.
Und ich bin dankbar für jedes Mal, in dem ich anders reagieren kann. Für mich. Für die, die nach mir kommen. Und in Achtung vor denen, die vor mir waren – und denen es nicht möglich war.
Denn ungelöste Themen verschwinden nicht. Sie wandern weiter – oder dürfen durch uns einen neuen Weg finden.
Wie gehst du mit solchen Momenten um?
Ich freue mich, wenn du mir schreibst. Deine Gedanken sind willkommen – so wie du bist.
Von Herz zu Herz,
Nadine